Expertenrunde zu „Leben mit der Diagnose Blutkrebs“

 

Am Freitag, dem 29.09.2023, fand eine Veranstaltung mit deutlichem Mehrwert statt: „Im Fokus: Leben mit Diagnose Blutkrebs“. Durchgeführt wurde diese von dem „SURVIVORS HOME“. Die Foundation fördert den Austausch zwischen Überlebenden und Neupatienten. Dies geschieht u.a. über Treffen zum gemeinsamen Kochen oder Schreiben. Schauen Sie gerne auf der Website vorbei, um vielleicht selbst teilzunehmen! Aber nun zu der Expertenrunde. In einer angenehmen und ruhigen Gesprächsatmosphäre traf man sich und diskutierte Unterstützungsmöglichkeiten und die Kommunikation bei einer Neudiagnose. Unter den Teilnehmern fanden sich der Arzt Dr. Jan-Piet Habbel, die Psychologin und Psychoonkologin Dr. Martina Preisler und CancerSurvivor sowie unser 1. Vorsitzender Rainer Göbel. Moderiert wurde die Diskussion von Marco Ammer, der bereits bei der German Cancer Survivor’s Week diese Funktion innehatte. Im Fokus standen Krebserkrankungen des Blutes, wozu auch die des Lymphsystems gehören.

Man begann direkt patientennah, indem Rainer Göbel seinen Weg zur Diagnose beschrieb. Dabei begegnete er verschiedenen Ärzten, die ihm die Diagnose mit unterschiedlich viel Zeit und Ausführlichkeit sowie Verlässlichkeit mitteilten. Auf die Anfangszeit der Diagnosestellung ging Dr. Habbel direkt ein. Die genaue Diagnostik bei einer Krebserkrankung dauert ca. 2 – 3 Wochen, die ersten Ergebnisse erhält man nach ca. 48 Stunden. Nach diesen 48 Stunden kann man aber höchstens festlegen, ob eher schnell gehandelt werden muss oder ob die Krankheit keine akute Bedrohung darstellt. Weitere Aussagen können aber meistens nicht getroffen werden, und selbst die eben genannten nicht mit absoluter Sicherheit. So stellen die ersten Wochen in der Diagnosefindung eine äußerst vulnerable Phase für Patienten und Angehörige dar. Man möchte den Patienten weder in falscher Sicherheit wiegen noch in Panik versetzen. Deswegen ist es wichtig, die Unsicherheit und Einschränkungen der Diagnostik als Arzt von Beginn an klar zu kommunizieren.

Weiter ging es darum, wie viel Informationen der Patient über seine Erkrankung erhalten möchte bzw. sollte. Dr. Preisler erläuterte, dass dies von Patient zu Patient unterschiedlich sei. Es gibt Patienten, die gerne so viele Informationen wie nur möglich hätten. Das hilft ihnen, etwas von der Kontrolle wiederzubekommen, die ihnen die Diagnose erstmal genommen hat. Es existieren aber auch Patienten, die am liebsten so wenig wie nur möglich wissen würden und es z.B. eher ihren Angehörigen überlassen, sich zu informieren, oder sogar die Entscheidung über die Therapie ganz dem Arzt übergeben. Und natürlich gibt es auch noch ganz viele Arten von Patienten, die zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegen. Wie man auf eine Diagnose reagiert, hängt u.a. davon ab, wie man bisher mit Krisen umgegangen ist.

Auch besprochen wurden Risikofaktoren für und Beschwerden bei Blutkrebs. Anders als für einige andere Krebserkrankungen gibt es keine klassischen 1:1-Risikofaktoren. Allgemeine Risikofaktoren sind jedoch Arbeit in der Petrochemie, radioaktive Strahlung oder das Rauchen von Zigaretten.

Aggressive, schnell-wachsende Lymphome können durch Beschwerden wie ungewollter Gewichtsverlust, Fieber oder Nachtschweiß auffallen. Langsam-wachsende Lymphome machen sich meist nur bemerkbar, wenn Blut abgenommen wurde und die Untersuchung von diesem im Labor Auffälligkeiten zeigt.

Wurden solche Auffälligkeiten festgestellt und weitere Untersuchungen mit eventuell negativen Ergebnissen durchgeführt, steht ein Diagnosegespräch an. Wie viel Zeit sollte man sich als Arzt nun für dieses nehmen? Dr. Habbel gibt an, sich dafür eine grobe Zeit von 30 Minuten nehmen zu können. Wie viel Zeit der Patient aber wirklich braucht, ist wieder von Mensch zu Mensch verschieden. Viele Patienten sind bereits nicht mehr aufnahmefähig, sobald ihnen die genaue Diagnose mitgeteilt wurde. Dr. Preisler ergänzte, woran das liegt. Zu erfahren, dass man unter einer bösartigen Erkrankung leidet, ist eine existenzielle Krise, bei welcher man womöglich zum ersten Mal mit einem potenziellen Ende des eigenen Lebens konfrontiert wird. In unserer Gesellschaft ist der eventuelle Tod sonst eher kein Thema, das gerne und viel besprochen wird. Deswegen kann so eine Neudiagnose zu einem hohen Stresserleben führen, welches die Aufnahme weiterer Informationen hemmt.

Die Mitteilung der Diagnose ist einer der prägendsten Momente im Krankheitsverlauf und kann einen relevanten Einfluss auf diesen haben. Dr. Preisler betonte daher die Wichtigkeit davon, die Anliegen des Patienten ernst zu nehmen und dem Patienten das Gefühl zu vermitteln, dass er gesehen wird.

Konkrete Vorschläge sind zudem, dass der Patient in eigenen Worten wiederholen kann, was er von der Diagnosemitteilung verstanden hat. Dadurch merkt der Arzt, welche Stellen er lieber nochmal erklären sollte. Auch kann der Arzt etwas zu trinken anbieten, damit der Patient einen kurzen Moment des Luftholens und sich Sammelns hat. Dr. Habbel erwähnte, dass häufig ein zweites Gespräch angeboten wird.

Als weiteren Ergänzung warf Rainer Göbel ein, dass der Patient in dem Diagnosegespräch meistens nicht seine gesamten Kommunikationsskills griffbereit hat. Daher ist jegliche Unterstützung sinnvoll. Das kann z.B. ein Block oder Zettel sein, auf dem der Patient mitschreiben kann oder die Anwesenheit von Angehörigen.

Auf Station gibt es nach einer Krebsdiagnose die Möglichkeit, ein Gespräch mit einem Psychoonkologen zu führen. Das sind Personen, die sich auf die psychische Unterstützung für Patienten mit Krebs spezialisiert haben. Sie stehen nicht nur für einzelne Gespräche zur Verfügung, sondern können einen auch den Krankheitsverlauf über begleiten. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten bieten neben dem Charité Comprehensive Cancer Center und OnkoRat die Landeskrebsgesellschaften oder niedergelassene Psychotherapeuten.

Bei einer Psychotherapie muss man sich jedoch häufig darauf einstellen, eine Weile auf seinen Platz warten zu müssen. Trotzdem kann es sich lohnen, diese Wartezeit auf sich zu nehmen und die Zeit z.B. mit einzelnen Gesprächen in Beratungsstellen zu überbrücken. Das Tumorzentrum Berlin e.V. hat eine Liste von Psychotherapeuten veröffentlicht, die für Sorgen, Ängste und andere Probleme im onkologischen Bereich besonders geeignet sind.

Solche Angebote können auch für Angehörige der Patienten sehr sinnvoll sein, da sich häufig durch die Erkrankung auch für sie Vieles verändert. Es könnte sein, dass sie plötzlich eine deutlich größere Rolle in der Versorgung der Familie haben. Zudem stellen Angehörige die wichtigsten Unterstützer der Patienten dar. So eine Unterstützung kann man nur leisten, wenn man selbst auch genug auf seine Sorgen und Gefühle achten kann.

Zum Schluss wies Rainer Göbel noch einmal darauf hin, dass neben der Psychoonkologie im Krankenhaus, Beratungsstellen und Psychotherapien auch die Selbsthilfegruppen Rückhalt und Hilfe bieten können.

Es gibt viele Möglichkeiten, die man als Neuerkrankter oder Langzeiterkrankter ausprobieren kann. Was einem hilft, ist für jeden verschieden. Also: gerne einiges ausprobieren, und damit nicht nur körperlich, sondern auch seelisch gesund werden.

Auch wenn man selbst nicht betroffen ist, kann man aktiv werden. Trotz vieler moderner Therapien gibt es weiterhin Patienten, die auf eine Stammzell- oder Knochenmarksspende angewiesen sind.

Weitere Informationen und wie Ihr Spender werden könnt

Falls Sie nun Lust auf mehr haben, können Sie den Livestream als Aufzeichnung online finden!

Zur Aufzeichnung des Livestreams