Am 22.09.2023 war es wieder so weit: der Welt-CML-Tag und mit ihm wurde eine gelungene Patienteninformationsveranstaltung des Tumorzentrums Berlin e.V. in der Charité ausgetragen. Von 16:30 bis 18:30 war der Raum mit Betroffenen, Experten und vielen leckeren Snacks und Getränken optimal gefüllt.
Zu Beginn sprach Prof. Dr. Philipp le Coutre und gab einen historischen Abriss über die Chronische Myeloische Leukämie. Erstmalig wurde diese dort entdeckt, wo wir uns an dem Tag befanden: von Rudolf Virchow in den Gebäuden der Charité im Jahre 1845. Weiter ging es damit, wie die CML im Individuum vorgefunden wird. Zu Beginn zeigt sich eine Hyperleukozytose, also eine Überproduktion der weißen Blutkörperchen, die eigentlich für die Abwehr von Infektionen gedacht sind. In dem Fall der CML werden sie aber ohne Bedrohung durch das Immunsystem überproduziert. Im Gegensatz zur Akuten Myeloischen Leukämie finden sich „nur gute Zellen“, die wir auch ohne Erkrankung im Blut haben.
Meist präsentiert sich eine CML mit Schmerzen in Knochen, wie z.B. im Brustbein. Dies ist auf die Überproduktion der Zellen und somit den Druck, der sich durch fehlenden Platz aufbaut, zurückzuführen.
Prof. le Coutre brachte den bildlichen Vergleich, dass die Masse an CML-Zellen im Blut der eines kleinen Bieres entspricht. Deswegen ist es wichtig, während der Therapie viel zu trinken, um diese Zellen regelmäßig auszuschwemmen.
Im weiteren Abriss der Geschichte ging es darum, dass die genetische Veränderung, die zur CML führt, erstmalig 1960 durch die Wissenschaftler Nowell und Hungerford entdeckt wurde. Die Forscherin Janet Rowley konnte 1972 zeigen, dass diese Auffälligkeit durch einen Materialaustausch zwischen den Chromosomen 22 und 9 geschieht – deswegen ist der 22.9. der Welt-CML Tag. Aufgrund dieser Entdeckungen ist es seit den 1980er Jahren möglich, die CML lebensverlängernd zu behandeln. Vorher konnte man lediglich eine Verlängerung der Verringerung der Beschwerden bewirken. Im Folgenden beschrieb le Coutre die genaue Wirkung der CML-Medikamente und erläuterte mehrere Studien. Auch ging er darauf ein, wieso genau abgewogen werden muss, ob bei einer deutlichen Besserung der Erkrankung die Therapie gestoppt werden kann. Abschließend beschrieb er den Patienten als „künstlerisches Gesamtwerk“, der in seiner Individualität und persönlichen Wünschen behandelt werden muss.
Nach diesem gelungenen Einstieg waren wir an der Reihe mit dem Thema „Der digitale Patient“. Dies brachte Abwechslung zu der krankheitszentrierten Thematik, da es allgemein um das Gesundheitswesen ging. Im Anschluss an eine knappe Erläuterung der rechtlichen Aspekte ging es um die einzelnen Bereiche der Digitalisierung. Angefangen mit dem Krebsregister, welches erstmalig 1926 in Hamburg entstand und seitdem effektiv weiter ausgebaut wurde. Soll eine Krebserkrankung aufgenommen werden, geht diese über den Arzt/die Klinik in das klinische Register, von dort aus zur Bestimmung verschiedener Faktoren wie Geschlechter, Alter usw. in das epidemiologische Register und danach weiter in das Zentrum für Krebsregisterdaten. Über diesen Weg kann man z.B. herausfinden, dass im jüngeren Alter mehr Leukämie-Neuerkrankungen bei Frauen als bei Männern auftreten. Aber Vorsicht: Solche Daten spiegeln zwar die allgemeine Bevölkerung wider, sollten aber nicht auf das Individuum angewendet werden – jeder Krankheitsverlauf ist einzigartig und kann sich entgegen der Statistik entwickeln.
Weiter wurde darauf eingegangen, was der erfolgreichen Digitalisierung im Wege steht: die vielen verschiedenen Computersysteme in den Krankenhäusern, Praxen und Apotheken, die miteinander wenig bis gar nicht kompatibel sind. Auf diesen können sich Arztbriefe, Raumplanungen, Abrechnungen, Laborergebnisse, Rezepte o.Ä. finden. Die eingeschränkte Kompatibilität ist auch das, was einer effektiven elektronischen Patientenakte (ePA) und dem elektronischen Rezept im Wege steht. Letzteres ist schon seit dem Jahr 2002 in Probe und steht bis heute vor vielen Schwierigkeiten, obwohl es ab dem 1. Januar 2024 Pflicht werden soll. Auch die elektronische Patientenakte ist in Theorie bereits im Einsatz, nur in der Praxis leider bisher wenig umsetzbar. Zusätzlich wird zu langsam und umständlich an Lösungen gearbeitet. Was jedoch erstaunlich zufriedenstellend funktioniert, ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU).
Zum Abschluss gaben wir einen Überblick über die digitalen Gesundheitsanwendungen, bisher 55 in der Zahl, und diverse Apps. Zu empfehlen sind die Apps „7 Minds“, „Neuronation“ und „Google Fit“.
Es bleibt zu sagen übrig, dass sich Offenheit gegenüber all diesen Themen lohnt, wir jedoch noch einen langen Weg vor uns haben.
Der letzte Vortrag des Tages war der zur Fatigue von Oliver Özöncel. Als passendes Zitat, um dieses Krankheitsbild zu beschreiben, brachte er folgendes: „Fühlen, Denken, Verstehen, Handeln und Gehen im Schneckentempo“. Neben der bekannten Tumor-Fatigue kann bei der CML die Tyrosine kinase inhibitor (TKI-) induced fatigue auftreten, die bisher auf die Behandlung mit den typischen Medikamenten wie Imatinib zurückzuführen ist. Eine Studie von 2021 zeigte, dass bei 55,5 % der CML-Patienten diese Form der Fatigue auftritt. Jedoch sind solche Studien mit Vorsicht zu genießen, da es unterschiedliche Kriterien gibt, ab wann ein Symptom zur Fatigue gehört.
Geendet wurde der Vortrag mit hilfreichen Tipps, um gegen die chronische Erschöpfung vorzugehen:
- Seine Sorgen dem behandelnden Arzt mitzuteilen
- Bewegung bzw. Sport!
- Gleichgewicht zwischen Aktivität und Erholung
- Ausgeglichenes Verhältnis zwischen Pflichten und angenehmen Aktivitäten
- Psyche stärken, psychoonkologische Unterstützungsangebote nutzen, Selbsthilfegruppen beitreten
- Gute Schlafhygiene
- Mind-Body-Techniken, z.B. Yoga und Meditation (aber auch vieles Weiteres)
- Gesunde und ausreichende Ernährung (siehe was-essen-bei-krebs)
- Weitere Behandlungsmöglichkeiten nach Absprache mit dem Arzt ausprobieren
Falls ihr nun noch mehr Infos wollt, lohnt sich ein Blick in das 6-wöchige Online-Programm des Vortragenden. Im Informationsportal Onkomap könnt Ihr gezielt Informationen rund um Eure Krebserkrankung finden. Auch zu empfehlen ist die Fatigue-Broschüre vom Nationalen Centrum für Krebserkrankungen Heidelberg und die Untire-App.
Wir hoffen, auch nächstes Jahr wieder Teil dieser großartigen Veranstaltung sein zu dürfen. Und zum Schluss: „Lass dich nicht hetzen. Auch die Schnecke erreichte die Arche Noah.“